Freitag, 28. Juli 2017
Von Forsand ins Sirdal bis nach Øvre Sirdal – 65 Kilometer, 1.480 Höhenmeter

Eine kleine ‚Warnung‘ vorweg. 😉
Es folgt ein sehr langer Blogbeitrag mit vielen faszinierenden Fotos, weil dieser Tag ein ganz besonderer auf meiner langen Reise ist.
Ich habe geschafft, was ich zu hoffen wagte und bin darüber sehr glücklich! Euer ‚Daumendrücken‘ hat mir die nötige Energie gegeben und ich danke allen, die an mich gedacht haben oder mir aufmunternde Worte geschrieben haben!
Am frühen Morgen wäre beinahe schon alles vorbei gewesen …
Ich hatte mir den Wecker auf 4.30 Uhr gestellt, weil ich unbedingt die morgendliche Fähre um 6.10 Uhr nehmen musste.
Ich werde von einem Motorengeräusch wach und weiß, dass ich verschlafen habe. Mir bleiben nur noch 45 Minuten bis zur Abfahrt und ich erwische die Fähre im letzten Augenblick.
Meinen Morgen hatte ich mir ganz anders vorgestellt.
Auf mich wartet heute eine erhebliche körperliche und mentale Herausforderung und ich wollte alles ganz in Ruhe und kraftvoll angehen!
Stattdessen hetze ich ohne Frühstück zur Fähre …
Die Wetterprognose ist gut, es wird vermutlich nicht so kalt und windig wie auf der Hardangervidda bei Finse …

Die imposanten Felswände rücken immer näher …
Die faszinierende Morgenstimmung zieht mich in ihren Bann und mein morgendlicher Stress ist schnell vergessen …

Die Fahrt mit der Speedfähre bis nach Lysebotn dauert etwa eine Stunde …
… und es wird ein Schauspiel aus Sonne, Wasser, Wolken und steil aufragenden Felswänden …
Kurz vor dem Ende des Lysefjords ragen die Felswände über 1.000 m steil aus dem Fjord empor und ich fühle mich hier sehr winzig … Für einen Moment tauchen Zweifel auf, ob ich es schaffen kann, diese Höhe mit meinem schweren Rad zu erklimmen. Ich beruhige mich mit dem Gedanken, dass ich ja jederzeit wieder bergab fahren kann … Mein Herzenswunsch und meine Entschlossenheit sind mit dieser Antwort nicht so ganz zufrieden …;-)
Hier oben befindet sich auch der eingeklemmte Felsen Kjerag, von dem man einen grandiosen Blick in den Lysefjord hat. Rasmus und Christian wissen wovon ich rede, denn wir standen schon auf diesem Felsen ….

In Lysebotn herrscht bereits einiger Trubel, denn hier ist auch das Basislager für viele Basejumper, die aus 1.000 m Höhe in die Tiefe springen …
Ich bin zu aufgeregt, um hier länger zu verweilen, denn ich möchte so schnell wie möglich losfahren.
Auf den ersten sechs Kilometern habe ich bereits 640 Höhenmeter zu bewältigen.
Teil der langen und steilen Anfahrt zum Øygardstølen ist der 1,1 km lange, relativ dunkle und nur 4 m breite Lysebotntunnel.
Je später ich starte, desto mehr Autos und Reisebusse werden mir im Tunnel begegnen. Davor habe ich etwas Angst. Schnell noch am Straßenrand eine Schale mit Müsli verputzen, Warnweste anziehen, zusätzliches blinkendes Rücklicht montieren und los geht es.
Der Tunnel befindet sich im unteren Drittel und nach 20 Minuten habe ich es geschafft – nur ein Auto und ein kleiner Bus sind mir begegnet. Ich spüre die Erleichterung und gehe den Rest deutlich gelassener an …

Ganz langsam schraube ich mich hoch, lege immer mal wieder kleine Verschnaufspausen ein, genieße den Blick auf den Fjord und die umliegenden Berge …
… drei Stunden später habe ich es geschafft und schreie meine Erleichterung und Freude hinaus …
Ich feiere meinen Erfolg im Øygardsstølen mit zwei Energieriegeln und einer Puddingschnecke!
Während ich noch genieße, treffen auch schon die ersten Reisebusse ein und wenn ich sehe, wie es der Bus kaum um die Kurven der Serpentinenstrecke schafft, bin ich froh, keinem Bus im Tunnel begegnet zu sein …
Nach der Stärkung geht es weiter bergauf und auch diese Strecke hat es in sich …

…. und führt durch eine beeindruckende Gebirgslandschaft.
Irgendwann habe ich auch hier den höchsten Punkt erreicht und bin mir sicher, dass es ohne dieses tolle Fahrrad noch viel anstrengender geworden wäre…
Danke an Michael Scheibel und sein Team vom Zweiradhaus Scheibel.
Ihr habt mich super beraten und mir dieses Rad reisefertig gemacht!
Nun freue ich mich auf die bevorstehende Abfahrt…
Heute soll ich wohl alles erleben!
Innerhalb kürzester Zeit setzt Starkregen ein und es wird empfindlich kühl…
Während einer kurzen Regenpause schaffe ich es gerade so, mich umzuziehen und bin froh, dass ich wasserdichte Handschuhe und Mütze eingepackt habe. Auch die wasserdichten Überschuhe für meine Halbschuhe bewähren sich außerordendlich!
So bleibe ich vergnügt, einigermaßen trocken, vom Tag euphorisiert und freue mich über die kleine Begegnung auf der Straße …
Allerdings habe ich wieder einmal keine Ahnung, wo ich heute übernachten kann. Für einen Moment lockt mich ein Campingplatz mit der Möglichkeit, warm duschen zu können…
Jedoch nur für einen Moment!
Es hat aufgehört zu regnen, die Luft ist wunderbar und ich fahre einfach weiter talabwärts durch das großartige Sirdal …
Couchsurfer haben auf meine Anfrage nicht reagiert oder abgesagt, es wird sich also eine andere Möglichkeit finden.
In einem Lebensmittelladen bitte ich um Hilfe und erhalte den Tipp, mich einige Kilometer talabwärts bei Deutschen zu melden, die dort eine alte Schule gekauft haben. Ich hoffe auf eine Zeltmöglichkeit und als ich dort ankomme, erfüllt sich mein Wunsch. 🙂
Obwohl das Team Sonntagnacht eine Gruppe von 26 Schülern für ein Auslandsschuljahr im Outdoor College erwartet und alle mit den letzten Vorbereitungen viel zu tun haben, kann ich bleiben. Schaut euch mal die Webseite an – ein tolles Projekt!
Ohne euch würde ich jetzt wahrscheinlich talabwärts schwimmen!
Heute regnet es lange Zeit sehr heftig.
Ich sitze im Warmen und habe viel Zeit, um diesen Blobeitrag zu schreiben.
Wie gut, dass ich meiner Intuition gefolgt bin und einfach noch weitergefahren bin…
Danke, dass ihr bis hierher durchgehalten habt. ♡
Herzlichen Glückwunsch zu dieser Etappe. Kannst wirklich stolz sein. Gruß Helge
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Danke dir Helge!
Ich bin froh, dass ich
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es geschafft habe und weder bei mir, noch bei meinem Rad längerfristige Ermüdungserscheinungen aufgetreten sind …;-)
Liebe Grüße
Andreas
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Lieber Andreas,
als ich den Satz „Auf den ersten sechs Kilometern habe ich bereits 640 Höhenmeter zu bewältigen“ gelesen habe, blieb mir fast die Spucke weg.
Ich las den Satz erneut, scrollte hoch um die Gesamtkilometer der Tour zu checken und war ehrlich mehr als beeindruckt.
Ich selbst habe ja auch schon den ein oder anderen Berg mit einem bepackten Tourenrad erklommen, aber wenn man durch die Hardangervidda radelt wie du und dann solche Anstiege bewältigt, kann ich nur sagen „Hut ab“.
Ich finde es sooo toll was du machst und erfreue mich darüber wie positiv denkend und gut gelaunt du in jeden Tag zu starten scheinst.
Ich freue mich immer auf deinen nächsten blogeintrag den ich sofort verschlinge und bin gespannt was du als nächstes erlebst 🙂
Viele Grüße,
Nina
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Hallo Nina,
vielen Dank für deine Zeilen, ich freue mich sehr darüber!
Im Moment schwächle ich ein wenig, da ich einige recht anstrengende Tage mit etlichen Höhenmetern und viel Regen erlebe. Es fällt mir also nicht immer leicht, die positive Stimmung zu halten… Zumindest gelingt es mir, schnell wieder das Positive zu entdecken! Ich sitze im Trockenen bei meinem netten Host in Mandal und draußen schüttest es! Was für ein Glück!
Ganz liebe Grüße
Andreas
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LieberAndreas, was fuer Bilder, was fuer ein Erlebnisreigen. Schoen, Dir zu folgen. Wuensch Dir weiter eine kesse Pedale! HerzlichGruss tomasz boendell (ebenso im ruhestand)
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Hallo lieber Thomas,
danke für deine Worte und guten Wünsche!
Ich bin gerade in Mandal kurz vor Kristiansand bei einem sehr netten Host untergekommen. Besonders erfreut bin ich darüber, dem Dauerregen von der Couch aus zusehen zu können…
Bald werde ich wieder die ‚kesse Pedale‘ schwingen und dann von Hirthals aus die dänische Ostküste entlangfahren…
Viel Spaß beim Segeln (?) und liebe Grüße
Andreas
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